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Die Sache mit dem roten Punkt

Heute hat meine Mutti auf dem Rückweg vom Chemnitzer Stadtfest ein sehr interessantes Foto gemacht. Es ist nahezu bezeichnend für die Briefkastensituation in Chemnitz. Ein Briefkasten mit rotem Punkt - eine aussterbende Art - in einer vollkommen verwarlosten Umgebung. Ringsherum nur sehr wenige überhaupt noch bewohnbare Reihenhäuser, absoluter Wildwuchs und eingeschlagene Fensterscheiben am Gebäude der ehemaligen Hauptpost. Ja, so sehen Orte aus, an denen in unserer Stadt dringendst ein Briefkasten mit rotem Punkt stehen muss.
Die Ersetzung der Poststellen durch sogenannte Postservice-Center fordert als Tribut immer mehr häufig geleerte Briefkästen mit rotem Punkt. So wurde auch an der Salzstraße einer der meistfrequentierten Rote-Punkt-Briefkästen wegrationalisiert, weil dort nun ein Postoffice einzug gehalten hat und die echte Deutsche Post abgelöst hat. Dass im Einzugsgebiet dieses Briefkastens zigtausende Menschen wohnen, ist der Post dabei anscheinend (nicht nur scheinbar) vollkommen egal. Der Briefkasten ist täglich brechend voll, an manchen Tagen müssen die Briefe nachgestopft werden, damit nichts herausfällt. Ist das ein Zustand?
Und dann sieht man die verwarloste ehemalige Hauptpost an der - wenn mich nicht alles täuscht - Straße der Nationen. Hat man da vielleicht einfach vergessen, den roten Punkt zu mopsen?
Verstehe einer die Deutsche Post.

2 Kommentare

Linear

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    Anonym  
    Diese Entwicklung ist der Privatisierung der Bundespost geschuldet. Als 1994 der Bundestag mit großer Mehrheit die Privatisierung der Deutschen Bundespost und die Umwandlung ihrer Sparten Post, Telekom und Postbank in Aktiengesellschaften beschloss, wurde diese als "notwendiger" Übergang von der verkrusteten Behörde zum modernen, kundenorientierten Dienstleistungsunternehmen gefeiert. Diese "Kundenorientierung" ist rein marktwirtschaftlich und zeigt sich besonders in den ländlichen Regionen, wo es schon heute nur noch selten "Postagenturen" mit reduziertem Leistungsangebot gibt oder der Briefkasten nur jeden 2. Tag geleert wird. In der Firmenstrategie eines "Global Players" (durch die Übernahme des britischen Logistikunternehmens Exel im Dezember 2005 ist die Deutsche Post AG Weltmarktführer in den Bereichen Luft-, See- (beide DHL Global Forwarding) und Kontraktlogistik (DHL Exel Supply Chain) mit einem Jahresumsatz von 55 Milliarden Euro), der sich an der Börse behaupten muss, zählt nur die Wertsteigerung des Unternehmens. Es lebe die Börse - der brave, einfache Bürger ist der Leidtragende.
    War die Privatisierung der Post wirklich notwendig? Die alte Bundespost der BRD war kein maroder defizitärer Betrieb. Ende der 1980er Jahre warf sie noch einen Überschuss von 5 Milliarden DM ab, die dem Bundeshaushalt zugute kamen. Durch die Privatisierung hingegen übernahm der Bund (und damit der Steuerzahler) die milliardenschwere Modernisierung der Infrastruktur Anfang der 1990er Jahre und die Pensionslasten der Beamten. Ihre Altersversorgung wird bis 2090 etwas 306 Milliarden Euro (18 Milliarden mehr als der Bundeshaushalt 2009) kosten.
    Die Aussichten für einen Erhalt oder gar Ausbau des Briefkasten- und Filialnetzes sind eher düster. Die Post wird von sich aus auch gegen politischen Widerstand immer weiter auf Kosteneinsparungen bedacht sein, um das Geld in den Aufbau eins weltweiten Logistikkonzerns zu investieren (DHL, Danzas, Exel; Exels Übernahme kostete allein im November 2005 5,5 Milliarden Euro). Und von privater Seite hat die Post vorerst keine Konkurrenz zu erwarten, da durch den neugeschaffenen Postmindstlohn und Mehrwersteuerbefreiung der Post für die Universalversorgung!!! ein effektiver Wettbewerb verhindert wird.
    Erst mit der vollständigen Liberalisierung des europäischen Postmarktes 2011 und der Abschaffung der Mehrwertsteuerbefreiung (die Bundesregierung wird derzeit von der EU abgemahnt) könnte sich eine Verbesserung für die Kunden ergeben.
    Die idyllischen Zeiten der Postämter in jedem Dorf und Briefkästen mit mehrfacher Leerung am Tage sind jedoch endgültig vorbei. Der "rote Punkt" ist nur noch wenigen Großstädten vorenthalten. Nur seinem größerem Bruder, dem grünen Punkt geht es wesentlich besser. Doch das ist ein anderer Kommentar;-)
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      Sebi  
      Danke für die ausführlichen Darlegungen. Schonmal daran gedacht, selber zu bloggen :)?

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